Beitragserhöhung der Wohngebäudeversicherung erhalten, was tun und warum wird Vertrag immer teurer?
Erich Aiwanger

Durch regelmäßige Beitragserhöhungen, hat sich die Wohngebäudeversicherung in den letzten fünf Jahren je nach Gebäude, Tarif und Anbieter im Schnitt um 50-70% verteuert. In Einzelfällen – zum Beispiel beim Umstellen alter Verträge auf aktuelle Bedingungen – kann die Erhöhung deutlich kräftiger ausgefallen sein.
Sind solche enormen Anpassungen überhaupt gerechtfertigt? Und kann ich etwas dagegen tun?
Die folgenden Informationen verdeutlichen, dass Sie für den höheren Preis einen echten Mehrwert erhalten. Zudem zeigen wir Ihnen auf, welche Rechte Sie als Kunde bei einer Beitragserhöhung haben und auf was man sonst noch alles achten muss um das Beste für sich und sein Eigenheim heraus zu holen.
Wohngebäudeversicherung Vergleich
Beitragsermittlung mit einer Versicherungssumme
Für die Beitragsberechnung in der Wohngebäudeversicherung sind im deutschen Versicherungsmarkt zwei Modelle üblich:
- Bilden einer Versicherungssumme nach dem Wert des Jahres 1914 (Versicherungssummen-Modell)
- Tarifierung nach der Wohn- und Nutzfläche (Wohnflächen-Modell)
Beim Versicherungssummen-Modell wird der fiktive Preis eines Gebäudes in Mark für das Jahr 1914 bestimmt. Dazu halten die Versicherer einen einfach zu beantwortenden Fragebogen bereit. Darin werden Gebäudetyp (zum Beispiel Zahl der Geschosse, Unterkellerung, Dachausbau), Ausstattungsmerkmale (zum Beispiel hochwertige Sanitäranlagen, Dacheindeckung) und Gebäudefläche festgehalten. Das Ergebnis ist der Wert 1914 des Gebäudes.
Warum geht man selbst bei ganz neuen Häusern mehr als hundert Jahre in die Vergangenheit, um ihren Wert festzustellen? Das Jahr 1914 wird bei der Berechnung von Statistik-Daten zu Baupreisen gern verwendet, weil es sehr preisstabil war. Es ist also egal, ob man auf den Januar oder den Dezember 1914 schaut, die Baupreise waren ungefähr gleich. Außerdem lassen sich Gebäudepreise durch die Rückrechnung auf ein gemeinsames Basisjahr besser vergleichen und tariflich einordnen.
Der Beitrag zu einer Wohngebäudeversicherung nach dem Versicherungssummen-Modell wird in Promille der Versicherungssumme berechnet. Ergibt die Wertermittlung beispielsweise einen Wert von 20.000 Mark 1914 und beträgt der Beitragssatz 2,50 ‰ (also 2,50 Mark pro 1.000 Mark Versicherungssumme), ergibt sich ein Jahresbeitrag von 50 Mark.
Die Bedeutung des Anpassungsfaktors
Sie erkennen das Problem? Von keinem Ihrer Konten können Sie der Versicherung 50 Mark in der Währung des Jahres 1914 überweisen. Hier kommt der Anpassungsfaktor ins Spiel. Er sagt aus, wie sich das Bauen von 1914 bis heute verteuert hat. Gleichzeitig enthält er die Umrechnung von Mark 1914 auf Euro. Berücksichtigt werden zu 80 % die allgemeinen Baukosten und zu 20 % der Tariflohnindex des Baugewerbes. Die Lohnkosten fließen zusätzlich ein, weil die meisten Schäden in der Gebäudeversicherung Reparaturen sind, kein kompletter Neubau nach einem Totalschaden. Bei Teilschäden fallen die Lohnkosten im Vergleich zu den Materialkosten stärker ins Gewicht.
Für das Jahr 2025 beträgt der Anpassungsfaktor 26,51. Im obigen Beispiel werden aus 50 Mark also 1.325,50 Euro, die Sie dem Versicherer als Jahresbeitrag bezahlen. In älteren Verträgen gibt es Anpassungsmechanismen, die anders heißen, aber im Prinzip genauso funktionieren. Durch unterschiedliche Rundungsvorschriften können sich aber leichte Abweichungen ergeben. So hat zum Beispiel der Gleitende Neuwertfaktor 2025 den Wert 26,7.
Mit dem Wohnflächen-Modell geht es viel einfacher
Klingt kompliziert? Stimmt, das Versicherungssummen-Modell ist etwas umständlich, zumal die Versicherungssumme nur für die Beitragsberechnung erforderlich ist, aber keine Entschädigungsgrenze darstellt. Mehr dazu erfahren Sie im nächsten Absatz. Das Wohnflächenmodell erspart den Umweg über den Wert 1914. Im Tarif steht einfach ein Beitrag pro Quadratmeter Wohn- bzw. Nutzfläche des Hauses. Eine Versicherungssumme – egal, in welcher Währung – wird nicht benötigt.
Die Informationen, die der Versicherer für die Vertragsgestaltung abfragt, sind wie beim Versicherungssummen-Modell: Gebäudetyp, Ausstattungsmerkmale, Fläche. Die Beitragsberechnung ist aber wesentlich einfacher. Angenommen, ein Haus hat 170 m² Wohnfläche und der Tarif sieht einen Beitrag von 7,50 €/m² vor, kommen wir auf 1.275 Euro Jahresbeitrag. Auch hier ist der Beitrag nicht fix, sondern wird regelmäßig an steigende Baukosten und Tariflöhne angepasst.
Die Haus-zurück-Garantie
An dieser Stelle zunächst ein Hinweis zur Versicherungssumme: Theoretisch können Sie diese Summe mit dem aktuellen Baupreisindex multiplizieren und daraus einen heutigen Wert Ihres Eigentums berechnen. Bei einem Wert von 20.000 Mark 1914 und einem Baupreisindex 2025 von 2.192,4 (Basis 1914 = 100) kämen Sie auf einen aktuellen Preis von knapp 440.000 Euro. Aber Achtung – das ist nicht vergleichbar mit dem Marktwert (Kauf- oder Verkaufspreis) des Hauses.
- Beim Marktwert werden neben Alter und Abnutzung (Zeitwert) auch Faktoren wie die Lage des Grundstücks bewertet (gemeiner Wert).
- Die Versicherung deckt aber den Neuwert des Gebäudes ohne Abzüge für den aktuellen Zustand.
- Der Versicherungswert enthält zudem nicht den Wert des Grundstücks.
Die wichtige Schlussfolgerung daraus: Eine Versicherungssumme in Mark 1914 oder ein umgerechneter Wert in Euro ist keine Höchstgrenze der Entschädigung im Schadenfall! Sind die maßgeblichen Angaben zu Gebäudetyp, Fläche und Ausstattungsmerkmalen richtig gemacht, zahlt der Versicherer im Totalschadenfall den Neubau eines gleichwertigen Gebäudes am selben Ort – egal, was es kostet. Dasselbe gilt für das Wohnflächenmodell. Hier gibt es erst gar keine Versicherungssumme, folglich auch keine Obergrenze der Entschädigung.
Beide Modelle beinhalten also eine Haus-zurück-Garantie. Das ist ein sehr wichtiger Vorteil der gleitenden Neuwertversicherung. Sicher erinnern Sie sich, wie die Inflation seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs zugeschlagen hat. Und der Fachkräftemangel im Handwerk führt dazu, dass die Stundensätze auch weiter steigen werden. Gut, dass Ihre Gebäudeversicherung sich dieser Entwicklung automatisch anpasst.
Feste Versicherungssumme? Keine gute Idee!
Der Grund für die regelmäßigen Preissteigerungen in der Wohngebäudeversicherung ist also die Anpassung des Versicherungsschutzes an veränderte Baupreise. Wenn Sie diesen Beitrag aufmerksam gelesen haben, werden Sie aber feststellen, dass zwischen dem Baupreisindex und dem Anpassungsfaktor eine große Differenz besteht. Das Bauen ist heute (in Euro) rund 22-mal so teuer wie 1914 (in Mark), aber der Anpassungsfaktor liegt über 26. Den Grund dafür haben wir auch schon erläutert: Es liegt an den Lohnkosten, die in der Vergangenheit stärker gestiegen sind als die Materialkosten.
Lässt sich die Differenz sparen, indem Sie auf die automatische Anpassung der Versicherung verzichten und eine feste Versicherungssumme in Euro vereinbaren? Theoretisch ist das möglich, aber wir raten dringend davon ab.
- Die feste Versicherungssumme ist immer auch die Obergrenze für die Entschädigung.
- Sie müssen selbst darauf achten, die Versicherungssumme regelmäßig anzupassen.
- Da Sie die Anpassung im Nachhinein vornehmen, fehlt die Vorsorge für Baupreissteigerungen des laufenden Jahres.
- Legen Sie selbst die Versicherungssumme fest entfällt der sogenannte Unterversicherungsverzicht. Ist die Versicherungssumme niedriger als der Versicherungswert, werden auch kleinere Schäden anteilig gekürzt und Sie bleiben auf die Differenz sitzen.
- Eine Wohngebäudeversicherung deckt nicht nur die reinen Baukosten, sondern zum Beispiel auch Mietausfall bzw. kalkulierte Eigenmiete und weitere Kosten wie z. B. Aufräumungs- und Abbruchkosten. Auch diese müssen in der Versicherungssumme berücksichtigt werden, damit auch nach einem Totalschaden ausreichend Spielraum besteht.
Berücksichtigt man diese Faktoren, dürfte eine Versicherung mit fester Summe nicht billiger sein als ein Vertrag mit gleitendem Neuwert, aber deutlich aufwendiger in der Verwaltung und mit dem Risiko, dass die Summe trotzdem nicht ausreicht.
Individuelle Beitragsanpassungen
Die Wohngebäudeversicherung ist ein Sorgenkind der Versicherungswirtschaft. Zunehmende Schäden durch Naturgewalten sind ständig ein Thema, aber auch der alternde Gebäudebestand in Deutschland führt zu vielen und teuren Schäden. Deshalb kommt es nicht nur bei alten oder schadenträchtigen Verträgen zu Beitragsanpassungen, auch neuere Gebäude sind davor nicht geschützt.
Einseitig ändern kann der Versicherer den Vertrag zwar nicht, aber er kann kündigen, falls der Kunde die Erhöhung nicht akzeptiert (Änderungskündigung). Das sind zwar keine guten Nachrichten, aber Sie sollten jetzt nicht vorschnell, sondern überlegt handeln.
Was kann ich letztendlich gegen diese Beitragserhöhungen in der Wohngebäudeversicherung tun?
Auch wenn es zukünftig regelmäßig Beitragserhöhungen bei der Wohngebäudeversicherung geben wird können Sie folgendes tun, um das Beste für Sie und Ihr Eigenheim zu erreichen:
- Nutzen Sie unseren umfassenden Wohngebäudeversicherung Vergleich, um sich über alternative Angebote zu informieren. Der Preis allein ist aber nicht entscheidend. Berücksichtigen Sie bei einem möglichen Anbieterwechsel unbedingt auch die Leistungen. Es gibt zwar keine "Billigangebote" mehr, aber durch einen Wechsel kann man einiges an Geld sparen oder besseren Versicherungsschutz als bisher genießen. Alternativ kann man auch über eine Selbstbeteiligung nachdenken, um den Beitrag deutlich günstiger zu gestalten.
- Lassen Sie es möglichst nicht darauf ankommen, dass der Versicherer den Vertrag kündigt. Jeder andere Versicherer fragt nach einem Vorvertrag und Vorschäden. Sie stehen besser da, wenn Sie selbst kündigen. Sonderkündigungsrechte bestehen unter anderem nach einem Schadenfall oder bei einer Beitragserhöhung, die über die vereinbarten Anpassungen aufgrund der Baupreisentwicklung hinausgeht. Vor der Kündigung sollten Sie aber sicher sein, dass Sie einen neuen Vertrag zu akzeptablen Konditionen abschließen können oder bereits abgeschlossen haben.
- In schwierigen Fällen sollten Sie dem Versicherer signalisieren, dass Sie selbst an einer Verbesserung der Risikoverhältnisse interessiert sind. Das kann zum Beispiel eine Sanierung von Dach oder Rohrleitungen sein, eine Erneuerung der Elektrik, der Einbau einer Rückstauklappe oder anderer Hochwasserschutz. Da die Umsetzung solcher Maßnahmen Zeit benötigt, kann die Vereinbarung einer Selbstbeteiligung pro Schadenfall für die Übergangszeit eine sinnvolle Lösung sein, um eine Kündigung zu vermeiden oder eine Beitragserhöhung abzumildern.
Neben unseren umfassenden Wohngebäudeversicherung Vergleich mit einer Vielzahl verschiedener Anbieter, stehen wir Ihnen auch selbstverständlich telefonisch gerne mit Rat und Tat zur Seite. Erläutern Sie uns einfach Ihre Situation und unsere Spezialisten kümmern sich gerne um eine optimale Lösung für Ihre Bedürfnisse.